Mein Weg zur Doula

 

Mit 17 Jahren ist meine damalige Welt stehen geblieben. Einfach so und vollkommen unerwartet. Meine kleine Schwester ist bei einer Routine-OP verstorben. Und mit ihr all meine Leichtigkeit und jugendliche Unschuld.

 

Hinterlassen hat sie ein großes Loch, aber auch das Wissen, dass da mehr ist zwischen Himmel und Erde. Und auch wenn ich mich am Anfang gefühlt hatte, als ob mir jemanden einen Arm amputiert hätte, ich Schule wechseln musste, weil mein Verstand einfach nicht mitkam und ich immerzu dachte, dass sie gleich die Treppe runterkam – so ist auch etwas geboren in dieser dunklen Zeit:

 

 

Meine Spiritualität, feine Antennen für die Bedürfnisse und Gefühle meiner Mitmenschen, das absolute Wissen, dass mich so schnell nichts mehr aus der Bahn werfen kann, da das Schlimmste schon eingetreten ist und vor allem der Wunsch nach einer eigenen (heilen) Familie. 



Mein erstes Kind oder „Geboren wird nicht nur das Kind durch die Mutter, sondern auch die Mutter durch das Kind.“ (Gertrud von Le Fort)

12 Jahre später mit 29 war ich dann schwanger mit meinem ersten Kind. Brav hatte ich mit bereits Mitte 20 (in weiser Voraussicht - haha) eine Zusatzversicherung abgeschlossen für ein 2-Bettzimmer im Krankenhaus nach der Geburt.

 

Weil ich damals dachte, es gibt nur ein Ort, um ein Baby zur Welt zur bringen: das Krankenhaus.

Doch eine meiner Freundinnen hatte sich im Geburtshaus angemeldet. Das wollte ich auch sehen. Und so bin ich zum Infoabend. Mein Mann und meine Mama im Schlepptau.

 

 

Je mehr die Hebammen erzählten, desto mehr spürte ich: Hier will ich mein Baby zur Welt bringen, hier will ich betreut werden. Und so habe ich – eine Millisekunde nach dem der Vortrag zu Ende war - zu meinem Mann gesagt: „Wenn du nicht total dagegen bist, melde ich mich an“. Sprachs, sprang auf und meldete mich an.


Mein Bauch. Meine Entscheidung. Mein Geburtsort.

Damals wusste ich noch nicht was für ein immenses Glück ich hatte überhaupt einen Platz dort bekommen zu haben. Ich wusste nicht was 1:1 Betreuung bedeutet und ich wusste auch nicht, dass ich mit dem Geburtshaus unbekannte Wege betrete.

 

Dass ich vielleicht Gegenwind bekommen werde, da ich jetzt nicht mehr eine Mainstreamgeburt plante, sondern eine außerklinische.

(Nur knapp 2% der Kinder in Deutschland kommen Zuhause oder im Geburtshaus zur Welt).

Aber was das wiederum bedeutete, wurde mir erst richtig bewusst als ich – frisch Mama in die ersten „Mama“-Kursen kam: Rückbildung, Babymassage, Fenkid.

 

„Und wie war deine Geburt so?“

Was ich da hörte, lies mich ganz große Augen kriegen, so anders waren die Geburtsgeschichten von dem was ich erlebt hatte und ich merkte, dass ich großes, riesengroßes Glück hatte, denn viel zu oft viel der Satz: „Hauptsache vorbei und mein Baby ist gesund.“

 

Oft war ich die Einzige, die eine gute Geburtsgeschichte erzählen konnte.

 


Ist eine gute Geburt also Glückssache?

Ich finde nicht.

 

 

Doch dass das (Gesundheits)System gegen die Gebärenden arbeitet (wenn auch oft ungewollt von den einzelnen Personen!!) wurde mir immer klarer und ich fing an zu lesen – Blogs, in Facebookgruppen, Instagram und stolperte so das erste Mal über den Begriff DOULA.


WAS ist bitteschön eine Doula?

Doula ist altgriechisch und heißt übersetzt „Dienerin der Frau“ – hmmm - sperriger Begriff. „Eine Mutter für die werdende Mutter“. Aha. Also, ja, ich hatte ja meine Mama und nicht meinen Mann zur Geburt mitgenommen. Fanden wir beide besser. Vor der Geburt und auch noch nach der Geburt.

 

Aber zurück zur Doula. Ich fing also an zu lesen, was macht eine Doula, was sind die Voraussetzungen für eine Doula: Selbst Mutter und damit geburtserfahren, belastbar, kontinuierlich an der Seite ihrer Frau, umsorgend, massiert, hält Händchen, atmet mit – ist einfach immer da.

 

Ist das nicht das was meine Mama (wahrscheinlich ganz intuitiv) gemacht hatte für mich?

Ist es nicht das, was mir immer wieder Mut gegeben hatte während den langen Stunden der Geburt meiner Tochter?

 

Meine Hebamme habe ich fast nicht vor Augen und dabei war ich bestens versorgt im Geburtshaus mit 2 Hebammen nur für mich!

 

Dafür sehe ich noch immer meine Mama vor mir: Auge in Auge, meine Hände haltend (und sich zerquetschen lassen), mir gut zuredend wie ich fluchend und nackt durchs Geburtshaus lief und meinte, es wäre jetzt auch mal genug und ich würde jetzt gehen, die Geburt könnte ohne mich weiter gehen.

 

 

Ja genau ;-), was man eben so sagt, am point of no return während der Geburt. 


Der weiblich Körper ist weder ein Montagsmodell noch ein Auslaufmodell

So stolperte ich also das erste Mal über den Begriff Doula.

Aber noch war ich nicht soweit meine Doulaweg zu gehen, war meine eigene Familienplanung doch noch nicht abgeschlossen. 2016 wurde ich dann mit dem 2. Kind schwanger und ICH wusste jetzt ganz genau, auf gar keinen Fall Krankenhaus. Wenn alle Stricke reißen, noch lieber eine Hausgeburt. Mein Mann war entsetzt. (Wir wohnen Mitten in München in einem ganz normalen Mietshaus! ;-))

 

Doch ich hatte wieder Glück und durfte auch mein 2. Kind mit meiner Mama und in Anwesenheit von zwei Hebammen im Geburtshaus zur Welt bringen. Jetzt wusste ich schon um dieses große Privileg!

 

Ich bin unendlich dankbar für meine beiden Geburtserfahrungen, die mir gezeigt haben, wie viel Kraft in mir stecken, was mein Körper alles schaffen kann und dass mein Körper eben kein „Montagsmodell“ ist, der geschnitten oder gar aufgeschnitten werden muss, um mein Kind auf die Welt zu bringen.

 

Ganz im Gegenteil: Der weibliche Körper und die kindliche Physiologie könnten so perfekt zusammenarbeiten, sodass das Kind und der mütterliche Körper heil und gesund durch die Geburt kommen – würde man ihm nur genug Zeit lassen und die Frau nicht alleine lassen.


"Denn es ist nicht egal wie wir geboren werden - oder wie wir gebären!"

Und als mein Sohn dann 1,5 Jahre alt war, machte ich mich auf und fing meine Ausbildung zur Doula an, die ich Anfang 2019 erfolgreich abschloss.

Ich wollte etwas zurückgeben von meinem großen Geburtsglück.

 

Mittlerweile weiß ich, dass für die meisten Frauen, das Geburtshaus oder auch eine Hausgeburt nicht das Richtige ist, weil sie die (vermeintliche) Sicherheit im Krankenhaus bevorzugen.

 

Gleichzeitig weiß ich mittlerweile auch, dass es egal ist, WO eine Frau ihr Kind kriegt, aber nicht WER sie begleitet und WIE sie begleitet wird. Es geht darum ihren Raum zu halten, ihre Energie zu halten, ihr Mut zu machen, sich hinzugeben, ihrer Intuition zu vertrauen.

 

Die Geburt ist ein entscheidendes Puzzleteil für die Beziehung zwischen Mutter und Kind.

 

Und so gibt es für jede Frau eine andere Art von Geburt, die sie als „perfekt“ empfindet. Und ja, als Doula muss man belastbar sein, aber vor allem darf man sich einlassen auf die Frau und auf ihr Baby. Jede Frau bringt schließlich ihre eigene Geschichte mit und die ihrer Ahnen.

 

Und jede Frau will das Beste, nur das Allerbeste, für ihr Baby. DAS gilt es zu respektieren.

Punkt. Ohne Wenn und Aber.

 

 

Ich darf als Doula bei einem der heiligsten Momente im Leben meiner Frauen dabei sein und ich werde alles dafür tun, damit meine Frauen nach ihren Geburten glücklich ihr Baby anstrahlen und mich und alle um sie herum vergessen.